Hammer-Boruy (Diöcese Wollstein) - zur Geschichte
Die Stiftung des Kirchspiels Hammer Boruy (später Kirchplatz Borui) ist erfolgt auf Grund der Erektionsurkunde vom 3. November 1775, welche am 15. Januar 1776 von dem Provincial-Konsistorium zu Lissa bestätigt wurde. Vor diesen Jahren hatten die Evangelischen Augsburgischer Konfession in der Herrschaft Hammer nur ein Schulhaus, in dem ein Lehrer die Predigt kraft des der Gemeinde erteilten Privilegs von 1705 verlas; einige male im Jahre besuchte sie der Prediger Krone aus Züllichau, um das heilige Abendmahl zu spenden, die kirchlichen Akte verrichtete bald der kath. Probst in Bentschen, bald die evangelischen Pfarrer in Wollstein, Chlastawe und Kranz. Zu einem eigenen Pfarrsystem verhalf diesen Evangelischen vornehmlich der evangelisch-reformierte Besitzer der Hammerschen Güter Ludwig von Mielecki, indem er nicht nur Grund und Boden und einen Teil des Bauholzes zu einer Kirche und einem Pfarrhause nebst einer Summe von 100 Dukaten schenkte, sondern auch die Erlaubnis zum Bau des Gotteshauses auswirkte. Die Kirche wurde am 1. Juni 1777 durch den Pastor Nikisch aus Wollstein feierlich geweiht; sie ist bis jetzt erhalten. Am 1. Juni 1877 feierte die Gemeinde das hundertjährige Bestehen derselben.
Zu dem Kirchspiele gehören große deutsche Hauländereien, der Pfarrort Hammer Boruy (Kirchplatz), Alt- und Neuboruy, Dorf Boruy,(dem Namen Boruy scheint das polnische Wort bor, d. i. Wald, zu Grunde zu liegen, da hier ausgedehnte Waldungen bestehen), ferner Alt- und Neu-Scharke, die Herrschaft Hammer mit Alexandrowo, Januszewo, Horst, Sandvorwerk, Cichagora, Bukowice und Juliana mit zusammen 3463 Seelen.
Die Kirche steht jetzt unter Königlichem Patronat.
Die Pfarrer waren:
1. Johann Christoph Knispel, geboren 1750 zu Neudamm, trat 1776 das Amt an. Von 1790 bis 1817 war er Superintendent des Karger (Unruhstadt) Kirchenkreises. Er starb plötzlich zu Lindenruh, einer Mühle bei Gogau, wo er sich zum Besuche aufhielt, am 24.Juni 1824.
2. Johann Friedrich Schulze, geboren 1800 zu Guben, 1825 hierher berufen, starb am 17. September 1838. Nach langem Wahlstreit zwischen der Gemeinde und der Berliner Seehandlung als Besitzerin der Herrschaft Hammer und Patronin, welcher zuletzt durch eine königliche Kabinetsorder entschieden wurde, folgte
3. Robert Adolf Rohrmann, vorher Pfarrer in Kranz¸(s.d.) er wurde am 22. April 1840 ins Amt eingeführt und starb am 9. März 1865.
4. Theodor Postler, trat 1866 ins Amt, vorher Pfarrer in Santomischel. Er wurde 1873 Oberlehrer am Schullehrer-Seminar in Halberstadt, dann Seminar-Direktor in Bütow.
5. Berthold Kresse, vorher Pfarrer in Oberpritschen (s.d.) 1873 berufen.
6. Johann Ernst Schulze, vorher Pfarrer in Rybnik, 1881 berufen, wurde 1883 Pfarrer in Chlastawe (s.d)
7. Wilhelm Bochat, vorher Pfarrer in Schidlowitz(s.d.) trat 1885 das hiesige Amt an.
Der Text wurde der „Geschichte der evangelischen Parochien in der Provinz Posen“ entnommen. Verfasst von Pastor Albert Werner, überarbeitet von Johannes Steffani, Diakonus an der St. Petrikirche zu Posen. Erschienen 1898.
Erläuterungen:
1. Der Bereich Kirchplatz gehörte bei Gründung des Ortes zum Vermögen der Herrschaft Hammer.Daher rührte der Name „Hammer- Boruy“. Im Ortsverzeichnis der Provinz Posen von 1908 finden wir die Bezeichnung „Borui, Kirchplatz“. Das Ortsverzeichnis der Post aus dem Jahre 1912 „Borui Kirchplatz ohne Komma und auch Kirchplatz Borui“. Erst nach 1939 nur noch „Kirchplatz“.
2. Auch der kath. Probst verrichtete kirchliche Akte. Oft waren diese Privilegien vom Grundherrn aus finanziellen Gründen aufgeteilt worden, um den „Frieden“ unter den Kirchen zu sichern. Hintergrund: die „Stolgebühren“ mussten bezahlt werden.
3. Die „Seehandlung“ war eine „Preußische Bank“, die vom Preußischen Staat für den Handel nach Übersee gegründet wurde. Da das Geschäft nicht blühte, entwickelte sie sich zu einer staatlichen Wirtschaftsförderbank. Sie förderte Infrastrukturmaßnahmen (u.A Straßenbau) und Firmenansiedlungen. Sie legte ihre Kapitalien auch in Gütern an, wie z.B. in der „Hammerschen Herrschaft.. H.E.
Geschichte der Stadt Rakwitz in Jahreszahlen
1252 | Erste Erwähnung als Dorf des Ritters Rakon |
1407 | Ein Pfarrer wird in Urkunden genannt |
1541 | Das Dorf gehört dem Adligen Ossowski, der sich zum Luthertum bekennt. Eine evangelische Kirche ist vorhanden (Martinskirche). |
1603 | Neuer Grundherr ist Krzysztof Grzymultowski. In Rakwitz gibt es nur einen Katholiken. Alle anderen Einwohner sind „Dissidenten“ (evangelisch). |
1618 | mit Beginn des 30 jährigen Krieges kommen Flüchtlinge aus Brandenburg und Schlesien (Böhmen) nach Rakwitz. |
1655 | dringen schwedische Truppen nach Großpolen (Prov. Posen) und auch Rakwitz ein. Der Krieg verwüstet Westpolen. Viele Dörfer liegen brach und sind entvölkert. Der Grundherr des Dorfes Rakoniewice erwirkt beim polnischen König 1662 die Erlaubnis zur Gründung einer Stadt auf dem Grund des Dorfes mit Namen „Polnisch Freystadt“ - später Rakoniewice - Rakwitz. |
1662 | am 17.05. wird die Gründungsurkunde zur Ansiedlung evangelischer. Deutscher ausgestellt.ihnen wird das „Magdeburger Recht“ zuerkannt und ein Privileg erteilt. Einige wenige deutsche evangelische Bewohner sind im alten Dorf Rakoniewice noch vorhanden. |
1662 | Eine neue ev. Kirche wird erbaut und der erste lutherische Pastor Christoph Eckardt berufen. Die alte ev. Kirche wechselte vorher zurück zur kath. Kirchengemeinde. |
1695 | Neuer Grundherr von Polnisch-Freystadt wird der polnische Adlige Maciej Radomicki. |
1696 | Der neue Grundherr erneuert das Privileg für die Evangelischen Bürger der Stadt Polnisch Freystadt, aber belegt sie mit einer Abgabe an den kath. Probst. (1699 ?) |
1698 | Am 1. Juni wird das Schützengilde-Privileg erstellt. |
1699 | Die Schneiderinnung wird gegründet. |
1700 | Die Schuhmacherinnung wird gegründet. |
1705 | Polnisch Freystadt“ verliert durch eine neue Gründungsurkunde den Namen und wird in „Rakoniewice“ - umbenannt. |
1707 | Die Töpferinnung wird gegründet. |
1708 | Am 29. April brennt die Stadt fast ganz ab. |
1708 | Im Juli bricht die Pest aus. Wer nicht in die Wälder flüchtet, wird von der Pest hingerafft. Am Ende der Pest wohnten nur noch 5 Bürger in der Stadt. |
1709 | Die kath.Gemeinde baut sich eine neue Kirche. |
1718 | Die Böttcherinnung wird gegründet. Zu ihr gehören die Böttcher, Rademacher und Stellmacher. |
1729 | Neuer Grundherr wird Jerzy Sapiecha. Schwiegersohn von Radomicki.Die evangelische Gemeinde muss vom neuen Grundherrn das Recht zur freien Religionsausübung für 400 Reichstaler neu kaufen. Für das Privileg mussten zusätzlich 200 Dukaten gezahlt werden. |
1750 | steht mitten auf dem Markt ein 2 stöckiges hölzernes Rathaus. |
1762 | feiert die evangelische Gemeinde den hundertsten Jahrestag der Stadtgründung und die Errichtung der evangelischen Kirche. |
1763 | wird die jetzige evangelische Kirche ( jetzt Feuerwehrmuseum ) heimlich gebaut. Als „Strafgeld“ mussten 200 Dukaten an das Posener kath. Konsistorium, 24 Dukaten an die kath.bischöflichliche Kommission und 100 Dukaten an die Erbfrau von Rakwitz gezahlt werden. |
1780 | ist in Rakwitz eine jüdische Gemeinde. |
1781 | erhält die evangelische Kirche einen Turm. |
1782 | Nikodem Wysogota Zakrzewski wird Erbherr von Rakwitz |
1793 | Rakwitz wird bei der 2. Teilung Polens preußisch. |
1795 | kommt Rakwitz zum Kreis Bomst - vorher Kreis Kosten. |
1797 | wird die kath. Kirche abgerissen, neu errichtet und 1805 eingeweiht. |
1797 | erste Apotheke in Rakwitz |
1807 | nach dem Tilsiter Frieden kommt Rakwitz zum Herzogtum Warschau. |
1815 | Rakwitz wird wieder preußisch. Die Stadt zählt 1203 Einwohner. 1861 sind es 2042 Einwohner. |
1826 | wird das Rathaus auf dem Markt wegen Baufälligkeit abgetragen. |
1831 | wird das Verhältnis zum Erbherrn aufgehoben und durch die revidierte Städteordnung ersetzt. |
1832 | wird Rakwitz Zwischenstation für einen lebhaften internationalen Blutegelhandel. 4 - 5 Millionen wurden hier jährlich für Westeuropa durchgeschleust. Bis 1849 dauert der Zwischenhandel. |
1840 | baut der polnische Graf Czarnecki in Rakwitz seinen Palast (Schloss). Im Jahre 1897 wird er umgebaut. |
1846 | wird die Schützengilde neu gegründet. Ein Schützenhaus wird gebaut. |
1869 | bis1872 ist Dr. Robert Koch in Rakwitz und hat die Praxis in der Poststr.13 |
1875 | wird der Bau eines neuen evangelischen Pfarrhauses begonnen. |
1877 | vernichtet eine Feuersbrunst die hölzernen Weberhäuser in der Poststraße. |
1880 | Rakwitz hat 2.157 Einwohner. Davon sind- 1.352 evangelisch - 648 katholisch - 157 jüdisch Die Stadt hat 221 Wohnhäuser, 2 Schulen, ein Postamt mit Telegraphenstation, zwei Kirchen und eine Synagoge. |
1889 | wieder eine Feuersbrunst. Betroffen ist die Christinenstraße. |
1903 | Die evangelische Kirche erhält eine neue Orgel. |
1905 | Die Eisenbahn von Wollstein nach Grätz wird mit der Station Rakwitz eingeweiht. |
1910 | wird das Postgebäude gebaut. |
1914 | Der 1.Weltkrieg bricht aus. In dieser Zeit wird die kath. Pfarrkirche umgebaut und vergrößert – Fertigstellung und Einweihung 1917 |
1917 | Die zwei großen Glocken der ev. Kirche werden für Kriegszwecke eingeschmolzen. Im Jahre 1928 wurden zwei neue Glocken geweiht. |
1918 | Rakwitz hat 2225 Einwohner- 1205 Deutsche - 947 Polen - 73 Juden |
1918 | Im evangelischen Kirchspiel Rakwitz sind 126 Gemeindeglieder im 1. Weltkrieg gefallen (aus 15 Gemeinden). |
1918 | Am 22. Dezember gründet ein polnischer Leutnant in Rakwitz eine Aufständischen Abteilung unter dem Namen „Gymnastikgesellschaft Sokol“. |
1919 | Am 3. Januar wird Rakwitz von polnischen Aufständischen besetzt. Durch den Versailler Friedensvertrag wird der Kreis Bomst geteilt. Rakwitz wird polnisches Staatsgebiet. |
1919 | Die evangelischen Gemeindeglieder im Kirchspiel Rakwitz betrugen vor 1918 = 3.000 Seelen. Durch Abwanderung und Verdrängung sinkt die Zahl auf 1.640 im Jahre 1929. In Rakwitz war bis 1919 eine deutsche Mehrheit. Sie sinkt auf 25 % ab. |
1927 | Eine Feuersbrunst vernichtet nordwestlich des Marktes neun historisch wertvolle Vorlaubenhäuser. |
1934 | Pastor Schulz wird in den Stadtrat gewählt. Er ist der 1. Deutsche im Stadtrat nach 1919. Voraussetzung war, die polnische Sprache in Wort und Schrift. |
1939 | Der 2. WK bricht aus. Deutsche Zivilpersonen werden in Rakwitz von polnischen Behörden verhaftet, verschleppt und mehrere Personen ermordet (23 aus dem Kirchspiel)). Am 7. September rücken die ersten Deutschen Soldaten in Rakwitz ein. Jetzt werden die an der Verschleppung beteiligten Polen Opfer der nationalsozialistischen Gewalt |
1945 | Am 20. Januar wird der Räumungsbefehl für alle deutschen Einwohner bekanntgegeben: Rakwitz wird geräumt. Wer Gespann hat, fährt mit Gespann, wer kein Gespann hat, geht zu Fuß“. Es ist Winter - es liegt Schnee - die Temperaturen ca. 20 Grad Minus. Der zuständige Amtskommissar (Reichsdeutscher) war nicht in der Lage, die notwendigen Anordnungen zu treffen und hat nach Ausrufung des Räumungsbefehls die Stadt verlassen. Die Räumung wird vom ev. Ortsgeistlichen, Pastor Karl Schulz, organisiert |